Schwimmender Stützpunkt Projekt 62

(Stand: 17.02.2016 - Ergänzung beim Führungsschiff)

Nato-Code: Jugend-Klasse

1958 begann die Projektierung des Projekts 62 durch das Institut für Schiffbautechnik Wolgast. Mit dem Bau des ersten „Schwimmenden Stützpunkts“ (SSP) wurde am 10.02.1959 in der Peenewerft Wolgast begonnen, der Stapellauf war am 22.12.1959. Die ersten vier Schiffskörper wurden nach der Fertigung zur Mathias-Thesen-Werft Wismar geschleppt. Dort erfolgten die Fertigstellung der Maschinenanlage und die Endausrüstung. Ein Teil des Materials wurde durch die Peenewerft geliefert, der andere direkt durch die Zulieferbetriebe. Die Zulieferung der Krane durch den VEB Kranbau Eberswalde erfolgte nicht planmäßig, so dass die ersten drei Schiffe ohne Krane ausgeliefert werden mussten. Die Nachrüstung geschah im November / Dezember 1961. Alle anderen SSP wurden komplett auf der Peenewerft Wolgast fertiggestellt.
Die Übergabe der Schiffe an die Volksmarine erfolgte immer durch die Peenewerft, das erste am 25.03.1961. Zwischen 1961 und 1963 wurden neun Schiffe an die Volksmarine übergeben. [weitere Information]
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Bereits Ende 1960 waren von der Torpedoschnellbootsbrigade 7 Offiziere, 27 Unteroffiziere und 63 Mannschaften zur Baubelehrung in Wolgast.

Der Schwimmende Stützpunkt war zur Versorgung von Schnellbooten und deren Besatzungen in Häfen [Bild] sowie an nicht eingerichteten Liegeplätzen und auf Reede vorgesehen.
Er diente zur Unterbringung und Betreuung von Besatzungen und des Stabes, deshalb wurde dieses Projekt auch umgangssprachlich als Wohnschiff bezeichnet. Die offizielle Abkürzung für dieses Projekt wechselte zwischen von „schw. Stzpkt.“, später SStp., zu SSP. Mit der Indienststellung der neuen Schwimmenden Stützpunkte des Projektes 162 wurde das Projekt 62 als „Reedeschiff zur Sicherstellung“ mit Kennbuchstaben N neu klassifiziert. Sie wurden als reine Wohnschiffe (WoS) weiter verwendet. [Bild]

Konstruktion
Die Schiffe bestanden vollständig aus Stahl. Der Schiffskörper war pontonartig und mit geraden Enden ausgeführt. Der Schwimmende Stützpunkt hatte ein Hauptdeck, zwei Aufbaudecks und einen Brückenaufbau. Der Schornstein mit schräger Kappe hinter dem Signaldeck diente zur Ableitung der Abgase der drei Dieselgeneratoren sowie des Dampfkessels [Bild].
Eine Beschreibung der Decks sowie Grundrisse der Wohnschiffe findet man auf der Internetseite www.wohnschiffe-vm.de.

Die Trennwände zwischen den Kammern waren nicht schall- und wärmeisoliert. Die Lärmbelastung an Bord war durch den Betrieb der Verdichter, Motoren und Gebläse sehr hoch. Auf dem Oberdeck konnten Sonnensegel aufgebaut werden, dies war aber sehr aufwendig. Ab ca. 1968 wurden sie auf Grund des Verschleißes selten bzw. gar nicht mehr aufgebaut.

Zur alltäglichen Freizeitgestaltung stand in den drei Messen je ein Fernsehgerät bereit. In der Mannschaftsmesse gab es einen Vorführraum mit zwei Filmprojektoren „Club 16“ für 16mm-Filme. Dort wurden mehrmals in der Woche Filme vorgeführt. In den kleinen Manöverstützpunkten wie z.B. Lauterbach oder Barhöft wurde oft die Dorfbevölkerung zu den Filmveranstaltungen an Bord eingeladen.

Der Schwimmende Stützpunkt konnte die Boote mit Treib- und Schmierstoffen sowie mit Munition, Wasser und Proviant versorgen. Die längsseits liegenden Boote konnten mit Elektroenergie und Heizdampf versorgt werden. Die mengenmäßige Lagerung von Betriebsstoffen, Munition und Verpflegung war zwischen den SSP unterschiedlich.

Die Wohnschiffe wurden den speziellen Aufgaben der Brigaden bzw. Abteilungen angepasst.
Die Grundkonstruktion aller SSP war gleich. Es gab verschiedene Varianten entsprechend ihres Verwendungszwecks. Fünf Schiffe waren für Torpedoschnellboote vorgesehen, es gab SSP mit und ohne Torpedoregelstellen. Drei Schiffe wurden für die Versorgung von Raketenschnellbooten und deren Besatzungen gebaut. Ein Schiff wurde als Führungsschiff ausgerüstet.
Der Schwimmende Stützpunkt hatte keinen eigenen Antrieb und wurde meist durch einem Schlepper bewegt. Der SSP verfügte über eigene Nachrichtenmittel.

TS-Wohnschiffe
Auf den SSP ohne Torpedoregelstelle wurden die Stäbe untergebracht, deshalb wurden sie auch als Stabsschiff bezeichnet (Projekt-Nr. 62.5 und ?).
Die SSP mit einer Torpedoregelstelle [Bild] hatten die Möglichkeit, 24 Torpedos, 24 Gefechtsköpfe (bzw. 16 Gefechtsköpfe und 8 Übungsköpfe) und die dazugehörigen Treib-und Schmierstoffe zu lagern (Projekt-Nr. 62.3, 62.4 und ?). Wobei eine Torpedoregelstelle durchaus jederzeit in der Werft eingerichtet werden konnte, so geschehen z.B. bei der Projekt-Nr.62.5 ca 1967/68. Durch ein schmales Ladeluk auf dem Bootsdeck konnten die Torpedos zur und aus der Torpedoregelstelle transportiert werden [Bild]. So konnten die Torpedoschnellboote durch die SSP mit Torpedos auch außerhalb der Stützpunkte beladen werden [Bild].

Die SSP für die LTS/KTS-Boote hatten Radaranlagen an Bord. Das Projekt 62.4 mit Bord-Nr. H-67 hatte auf dem Signaldeck bereits Mitte der 60´er Jahren eine große Antenne an Bord [siehe Bild]. Diese war eine selbstgebaute Richtfunkantenne für UKW, um eine bessere Verbindung mit den LTS-Booten zu erhalten.
Später wurde auf den SSP mit Projekt-Nr. 62.4 und 62.5 eine Nachrichten-Werkstatt eingerichtet [Bild]. Zuerst wurde bei der Projekt-Nr. 62.4 eine Plattform mit zwei Radaranlagen, KSA-V und TSR 222 [Bild] auf dem zweiten Aufbaudeck auf der Backbordseite achterlich angebracht. Die KSA-V wurde später entfernt, da die Boote des LTS Projekt 68.200 außer Dienst gestellt wurden. Das Projekt 62.5 wurde nur mit der TSR 222 ausgerüstet. Diese befand sich ebenfalls auf dem zweiten Aufbaudeck, aber auf der Steuerbordseite vorn.

Über ein weiteres äußeres Unterscheidungsmerkmal verfügte die Projekt-Nr. 62.3. Anstelle des Motordingis (Steuerbordseite) auf dem Krandeck stand dort eine Metallkiste. Der Verwendungszweck und der Zeitpunkt des Aufstellens sind unbekannt.

RS-Wohnschiffe
Die drei RS-Wohnschiffe, Projekt-Nr. 62.6 bis 62.8, waren 4 Meter länger als die TS-Wohnschiffe, also 74,40 m lang. Ursprünglich sollten Schiff-Schiff Raketen Typ P-15 an Bord gelagert werden. Dazu war auf dem Bootsdeck ein größeres und höheres Ladeluk vorhanden. Die Lagerung von Raketen wurde jedoch nicht verwirklicht, die Räume dienten als „Bergeraum“ und als Lagerraum.
Diese SSP waren als einzige mit einer passiven FFK-Anlage Typ „Chrom-K“ [Bild] ausgerüstet.

Führungsschiff
Das Schiff mit der Projekt-Nr. 62.1 (erste Bord-Nr. H-02) wurde von Anfang an als Reservegefechtsstand des Kommandos der Volksmarine (VM) ausgerüstet. Äußerlich unterschied es sich durch den speziellen Antennenmast auf dem Vorschiff von den anderen Wohnschiffen.
Es besaß eine umfangreiche nachrichtentechnische Ausrüstung, die ständig modernisiert wurde. Als sicherste Nachrichtenverbindung wurde die per Draht durchgeführt. Eine weitere Möglichkeit war der Richtfunk, wobei dabei Abhörgefahr bestand.
An Richtfunkanlage wurde die Gerätesätze RVG 924 [Information] und FM 24-400 [Bild] verwendet. Die UKW-Anlagen R-619 [Bild] waren mit Schlüsseltechnik R-754 „Sirena“ [Information] und ab 1987 die T-612 „Mimosa“ [Information] gekoppelt. Auch Kurzwellenanlagen waren vorhanden.

Wer kann weitere Informationen bereitstellen?

In Dienst gestellt wurde das Schiff mit Ladeluke und beiden Beibooten, aber ohne Krane und Bewaffnung. Die Krane wurden im November / Dezember 1961 nachgerüstet, siehe Bild. Die Umbauten erfolgten 1968 auf der Peenewerft, dabei wurde das Oberdeck verlängert und somit der Gefechtsstand vergrößert. Nur noch ein Beiboot stand achtern auf dem kurzen Bootsdeck. Das Schiff wurde umgangssprachlich auch MS „Vierkant“ genannt.

Der Hauptgefechtsstand befand sich achtern. Die Kammer des Chefs Volksmarine war die erste auf dem oberen Verkehrsgang auf der Steuerbordseite des Vorschiffs. Die Stammbesatzung betrug 40 Mann. Der Hauptliegeplatz war der Hafen Parow.

Für den Film „Rottenknechte“ wurden 1969/70 einige Szenen an Bord gedreht.

Mit der Festlegung vom 16.12.1977 des Chefs der VM wurde das Schiff Gefechtsstand der 6. Flottille. Dazu wurde es in der Peenewerft Wolgast umgerüstet. Es sollte aber weiterhin als Hilfsführungsstelle für den Chef VM eingesetzt werden. Der Hauptliegeplatz war nun der Hafen Ralswiek. [Bild]

Bis zur Inbetriebnahme des Geschützten Gefechtsstandes der 6.Flottille am Kap Arkona 1986 [weitere Informationen] erfüllte es diese Aufgabe, danach war es der Reservegefechtsstand der Führung der 6. Flottille. Ab 1987 bis zur Außerdienststellung war das Wohnschiff im Stützpunkt Rostock stationiert [Bild].

Einsatz
Die SSP wurden den Abteilungen direkt zugeteilt.

Projekt-Nr. Einheit
62.0 4.Torpedoschnellbootsabteilung (TSA), umbenannt ab 1971 in 1.TSA
62.2 2.Torpedoschnellbootsabteilung, umbenannt ab 1971 in 5.TSA
62.3 6.Torpedoschnellbootsabteilung, umbenannt ab 1971 in 3.TSA
62.4 Küstenschutzbootsabteilung, Leichte Torpedoschnellbootsbrigade (LTSB), umbenannt in 7. LTSB
62.5 Landungsbrigade/-abteilung bis 1967; danach LTSB, umbenannt in 7. LTSB; ab 01.12.1976 9.LTSB
62.6 Schnellbootsbrigade, 1.Raketenschnellbootsabteilung (RSA)
62.7 Schnellbootsbrigade, 3.Raketenschnellbootsabteilung
62.8 Schnellbootsbrigade, 5.Raketenschnellbootsabteilung

Die Stationierungsorte der SSP waren entsprechend den Aufgaben der Abteilungen sehr vielfältig z.B.: Hafen Parow, Hafen Bug/Dranske und Anleger Südbug bzw. Nordanleger Bug, Peenemünde Stützpunkt und Nordhafen, Hafen Warnemünde/4.Flottille, Hafen Gager, Hafen Saßnitz, Hafen Darßer Ort, Hafen Wiek/Rügen.

Im Juli 1966 wurden zwei SSP (Projekt-Nr. 62.3 und 62.6) zur Übung „Baikal“ der sozialistischen Ostseeflotten im Hafen Swinoujscie eingesetzt, um die Schnellboote der Volksmarine zu versorgen. Auch zu Sondereinsätzen wurden die Wohnschiffe verwendet, so z.B. im August 1962 zur Delegiertenkonferenz der NVA in Rostock-Kabutzenhof oder als Inspektionswohnschiff für die Überprüfung der einzelnen Flottillen.

Nach Indienststellung des neuen Projekts 162 wurden sechs Schiffe des Projekts 62 als reine Wohnschiffe eingesetzt. Dazu wurden diese in der Peenewerft Wolgast bzw. Werft Gehlsdorf etwas umgebaut. Standorte wurden die Stützpunkte Bug/Dranske, Warnemünde, Wolgast und Rostock-Gehlsdorf.

 
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Verbleib
Das erste Schiff, Projekt-Nr. 62.8, wurde im November 1984 außer Dienst gestellt. Dieses und die Projekt-Nr. 62.0 sowie 62.3 wurden abgebrochen. Alle anderen wurden nach der Außerdienststellung im zivilen Bereich weiter verwendet.

Das Schiff mit der Projekt-Nr. 62.2 diente nach seiner Außerdienststellung als Unterkunft für sowjetische Besatzungen während der Baubelehrung für Projekt 133.1M. Danach war es für die Peenewerft Erprobungsstützpunkt im Hafen Vierow bei Greifswald. Dort wurden Startprüfungen für den Raketenbehälter TPK 1520 des Raketenschnellboot-Projekts 151 durchgeführt, dabei bekam das Wohnschiff die Bezeichnung „Maria“.

Das Projekt-Nr.62.6 diente noch als reines Wohnschiff in der Bundesmarine für die Besatzungen der außer Dienst gestellten Schiffe der ehemaligen 4.Flottille der Volksmarine in Warnemünde bis zum 07.10.1991. Danach wurde auch diese Einheit verkauft.

Allgemeine Taktisch-technische Daten eines TS-Wohnschiffes:

Verdrängung 1418 t
Länge über alles 70,40 m
Länge zwischen den Loten 68,02 m
Breite über alles 12,40 m
Breite auf Spanten 12,00 m
Seitenhöhe   3,30 m
Tiefgang   1,51 m
Antrieb ohne (Schleppbetrieb)
Schleppgeschwindigkeit max. 6 kn
Stromversorgung 2x Dieselgenerator 6NVD26
  1x Dieselgenerator 3NVD26
Bordspannung 220/380 Volt Wechselstrom
  Versorgung für RS- und TS-Boote mit 110V Gleichspannung
Dampfkessel 1x SHK 106, ölgefeuert, für Heiz- und Wirtschaftsdampf
  ab 1974 Eintrommel-Wasserrohrkessel ESHK 1,0 mit Weißhauptbrenner für den Automatikbetrieb
Ausrüstung 2x 2,4 t Schiffswippkrane
  2x Verdichter Typ 4 FK 105 zur Erzeugung von Druckluft für die Torpedos 
  Wassersprühanlage (ABC-Schutz)
  zwei Beiboote, ein Motordingi und ein Kutter K-10 (ZK-10 [weitere Information]),
wurden ab 1970 schrittweise abgerüstet, wenn sie ihre Nutzungsdauer erreicht hatten
Zuladung Vorräte 672 t
Autonomie Stammbesatzung: 30 Tage, mit TS-Bootsbesatzung 14 Tage
Nachrichtentechnik zwei Allwellenempfänger „Dabendorf“ [Bild] später durch zwei Kurzwellenempfänger „Wolna K“ ersetzt
  1x KW-Sender „SS100“, 1x KW Funkstation „SSE50“, 1x KW Funkstation vom Typ „SEG15“ 
  1x UKW-Station „Akazie“ (Bedienpult war im Wachstand)
  ab 1963 eine Selektivrufanlage (im Wachstand)
  Nebenstellenanlage 2/10 [weitere Informationen]
  eine Fernschreibmaschine (im Wachstand)
  Sprechanlage zur Kommunikation zwischen den wichtigsten Gefechtsstationen
  eine Rundfunkanlage [weitere Informationen]
Bewaffnung 2x 25mm-Doppel-Flak Typ 2M-3M110 [Bild]
Kampfsatz: 3944 Splitter-Brand-Granaten mit Leuchtspur
2040 Panzergranaten mit Leuchtspur
  im Mobilmachungsfall 2x4 Fla-Raketen Typ „Strela M“ (FASTA-4M/2) – (ab wann?) [weitere Informationen]
Stammbesatzung ca. 27 Mann
weitere Unterkünfte für 170 bis 200 Mann

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© 2012 - 2016 Peter Kieschnick

 

Eine Chronologie der Bordnummern des Schwimmenden Stützpunkts Projekts 62 ist durch Helbe und Horma erarbeitet wurden.
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Weitere Chronologien sind hier.