(Stand: 02.04.2016 - Bilder eingefügt)
UdSSR: „Шторм“, zu deutsch: „Sturm“
NATO-Code: Shershen-Klasse
1955 wurde das sowjetische Planungsbüro 5 (ЦКБ-5) mit der
Entwicklung eines Torpedoschnellboots (TS-Boot) beauftragt.
Das neue Boot wurde als
Kielgleitboot konstruiert. Der Bootskörper bestand aus geschweißtem Stahl,
die Aufbauten aus Aluminium. Das Boot hatte neun wasserdichte Abteilungen
[weitere Informationen].
Die Silhouette des Bootes war klein, das erschwerte
die optische und die Radar-Aufklärung durch einen Gegner. Die Aufbauten
konnten hermetisch geschlossen werden und waren so gestaltet, dass chemische
Kampfstoffe oder nukleare Partikel schnell entfernt werden konnten.
Gebaut wurden über 80 dieser TS-Boote von 1960 bis 1968 auf drei
sowjetischen Werften: Werft 345 in Jaroslawl, Werft 363 „Sredne-Newski“ in
Leningrad und Werft 640 in Sosnowka.
Außer in den sowjetischen Flotten wurden
die Boote des Projekts 206 in weiteren 13 Ländern eingesetzt.
In den sowjetischen Flotten wurde das Projekt 206 als „großes
Torpedoboot" (BTK) klassifiziert - russisch: „большой торпедный катер" (БТК).
Diese Bezeichnung stand auch auf dem Original-Typenschild im Innern der Brücke
(über dem vorderen Brückenfenster).
In der Volksmarine
wurden die Boote zuerst als Torpedoschnellboote eingestuft. Mit der Ordnung Nr.
200/9/002 MfNV erfolgte eine neue Klassifizierung als „Großes Torpedoschnellboot“
[TSBg], umgangsprachlich auch als GTS bezeichnet. Verwendet wurde diese
Klassifizierung offiziell nur von 1981 bis 1986.
Die Volksmarine führte ab Oktober 1968 schrittweise bis Oktober 1971 achtzehn TS-Boote ein. Sie wurden auf der Werft 345 in Jaroslawl gebaut.
Bewaffnung:
Die Boote waren
in erster Linie für Operationen im Küstenvorfeld bestimmt. Ihre Waffen konnten
bis Seegang 5 effektiv eingesetzt werden.
Die Hauptbewaffnung waren die
Torpedos. Es wurden Torpedos der Typen 53/39 PM und 53/56 W verwendet. Nach dem
Verschuß der Torpedos konnten diese nicht mit Bordmitteln nachgeladen
werden, es musste eine Versorgungseinrichtung (Hafen, Wohnschiff o.ä.)
angelaufen werden. [Bild]*
* (Zum Anzeigen der Fotos, bitte auf das Wort
[Bild] klicken)
Die 30 mm Bug- und Heckgeschütze konnten gegen Luft-, See- und Küstenziele eingesetzt werden [Bild]. Sie wurden mittels Waffenleitanlage MR-104 oder im Reserveverfahren per Hand über eine Visiersäule mit Kreiskornvisier (Kolonka, russisch „Колонка") bedient.
Die Boote konnten auch Minen legen. Für die Übernahme der Minen gab es ein Übernahmekommando, bestehend aus 6-8 Mann der Besatzung laut Rollenbuch. Die Minenübernahme wurde sehr oft bei Dunkelheit geübt. Auf dem Achterdeck waren zwei Minenschienen vorhanden, jede Mine wurde mit 8 Ketten verzurrt. Zum Abwurf gab es am Heck zwei abnehmbare Ablaufbühnen [Bild].
Die TS-Boote konnten zur U-Boot-Abwehr auf Anruf eingesetzt werden. Die Boote verfügten über keine eigene Möglichkeit zur U-Boot-Suche, deshalb erfolgte der Einsatz gemeinsam mit U-Jagd-Schiffen. Zur Bekämpfung von U-Booten konnten auf dem Achterschiff zwei Wasserbombenablaufgerüste aufgeschraubt werden.
Übernahme der TS-Boote:
Auf
Anordnung Nr. 36/67 des Chefs der Volksmarine begann die Ausbildung von
Besatzungsmitgliedern für das Projekt 206 im Oktober 1967. Diese fanden an der
Seeoffiziersschule Stralsund statt. So z.B. die Zehn-Monate Ingenieurtechnischen
Qualifizierungslehrgänge (ITQ-Lehrgang), die Vier-Monate-Lehrgänge für die
Übernahme des Projekts. Auch absolvierten Offiziere und Meisterdienstgrade des
Maschinengefechtsabschnitts im Motorenwerk Wurzen Industriepraktika zur
Vorbereitung auf die neuen Motoren.
Die TS-Boote wurden einzeln durch
sowjetische Besatzungen zum Stützpunkt Bug/ Insel Rügen überführt. Die Übergabe
erfolgte in der Regel innerhalb einer Woche und endete mit einer mehrstündigen
Fahrt in See. Das erste Boot, die „Artur Becker“, wurde am 12.10.1968 von der
sowjetischen Besatzung an die deutsche übergeben. Die Indienststellung des
Bootes mit feierlichem Flaggenwechsel erfolgte am 14.10.1968. Die sowjetische
Übergabebesatzung blieb noch neun Monate im Verband.
Einsatz in der Volksmarine:
Der Hauptstationierungsort der TS-Boote war der Bug bei der 6.Flottille. Alle
Boote gehörten der TS-Brigade an, bestehend aus der 2., 4. und 6.TSA.
Ab 01.12.1971
wurden drei gemischte Raketen- / Torpedoschnellbootsbrigaden gebildet: die 1., 3. und
5.RTSB mit entsprechender Umbenennung der TSA.
Die nunmehr 1. 3. und 5. TSA
hatten je fünf Boote im Bestand. Nach der Auflösung der Schulbrigade wurden
deren Boote am 01.12.1981 den TSA zugeordnet,
so bestanden nun die TSA aus sechs Booten.
Ab September 1984 begann die
Außerdienststellung einiger TS-Boote. Danach hatten die TSA nur noch vier
Boote im Bestand.
Nach Parow zur Schulbrigade wurden die TS-Boote 863 und 864
bereits vom 10.08.1970 bis 20.10.1970 kommandiert, wo sie die Ausbildung
unterstützten.
Der Schulbrigade wurden drei Boote ab dem 08. bis zum
20.07.1971 schrittweise übergeben. Es waren die Boote Projekt-Nr. 206/1
„Artur Becker“ (S 43, S 816), 206/3 „Bernhard Bästlein“ (S 41, S 814) und 206/7
„Walter Husemann“ (S 42, S 815).
Zwischen September 1984 und Februar 1990 wurden alle Boote außer Dienst gestellt. Sie waren nach ca. 20 Dienstjahren einfach veraltet und die Bootskörper verschlissen. Parallel dazu verlor Mitte der achtziger Jahre der Torpedoeinsatz gegen Überwasserziele international rasch an Bedeutung.
Taktisch technische Daten: [Bild]
Verdrängung: | normal: 145 t, max: 170 t | |||
Länge über alles: | 34,6 m (mit Minenablaufbühne) | |||
Breite: | 6,8 m | |||
Tiefgang: | normal: 2,48 m, max. 2,78 m | |||
Bewaffnung: | - | 2x 30mm Zwillingslafette Typ AK-230, | ||
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Kampfsatz pro Rohr 500 Granaten (Gesamt: 1752 Stk. Splitter-Spreng-Granaten mit Leuchtspur, 248 Stk. Panzerspreng-Granaten mit Leuchtspur) |
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- | 4x 533mm Torpedoausstoßrohre OTAM-53-206 (russisch ОТАM-53-206 „Онега-4") [Bild] | |||
- | 2 Wasserbombenablaufgerüste mit je 6 Wasserbomben B-1 möglich [Bild] | |||
- | Minen möglich: 4x JAM oder 4x KB oder 4x KMD-2-500 oder 4x KMD-2-1000 | |||
Ausrüstung: | Nebelanlage DA9 | |||
Elektronik: | - | Torpedowaffenleitanlage MR-102-4 „Kormoran" [weitere
Informationen] (russisch MP-102 „Баклан“, NATO-Bezeichnung „Pot Drum“), zugleich Navigationsradar |
||
- | Freund-Feind-Kennanlage „Nichrom“ (russisch „Нихром“) | |||
- | Funkmeßwaffenleitanlage MR-104 „Lynx" (russisch ПУС МP-104 „Рысь“, NATO-Bezeichnung: „Drum Tilt“) |
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- | 2 KW-Funkanlagen R-617 [Bild] | |||
- | 2 UKW-Funkanlagen R-619 | |||
- | Allwellenempfänger „Wolna-K“ [Bild] | |||
- | Funkfernschreibanlage (ab ca. 1981) | |||
- | Morsegeber MG80 (ab ca. 1985) [Bild] | |||
Hauptantrieb: | 3x Dieselmotoren M-503A-1 mit je 2942 kW Leistung [Bild] | |||
Hilfsmaschine: | 3x Generatoren 6Tsch-9.5/11 [Bild] | |||
Bordspannung: | Hauptspannung 220 V Gleichstrom, Hilfsspannung 24 V Gleichstrom | |||
Geschwindigkeit: | Marsch: 30 kn, max. 46 kn bis See 4 | |||
Reichweite: | 810 sm bei 30 kn, 460 sm bei 42 kn | |||
Autonome Einsatzdauer: | 5 Tage | |||
Trinkwasser: | 3800 l | |||
Besatzung: | 24 / 25 Mann [weitere Informationen] |
© 2005 - 2016 Peter Kieschnick
Eine Chronologie von Bordnummern des Projekts 206 ist durch Helbe und Horma
erarbeitet worden.
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Weitere Chronologien sind hier.