Anstrichsysteme und Farbtöne für Schiffe und Boote
der Seestreitkräfte / Volksmarine

das Original

erstellt von Horst Maiwald, ([Horma] †2014) © Dezember 2011, ergänzt April 2012 mit Sonderanstriche
(Stand: 22.04.2015)

Vorbemerkungen:
Der obige Titel ist fast gleichlautend mit dem der ersten offiziellen Vorschrift und könnte ggf. eine falsche Zielstellung dieser und der Folgevorschriften suggerieren. Es ging von Anfang an um ein grundsätzliches Problem: Korrosionsschutz!
Weil komplett nicht zu verheimlichen, stand (und steht heute noch) die Technik der Marine besonders im Blickfeld der Öffentlichkeit, sowohl der eigenen Bevölkerung („was geschieht mit unseren Steuergeldern“) als auch international („Rückschlüsse auf Kampfkraft und Zuverlässigkeit“).
Es ging also bei den Maßnahmen gegen die Korrosion um die Erhaltung der Einsatzbereitschaft bei gleichzeitiger Imagepflege (äußeres Erscheinungsbild). So wurden geregelt: das Wie (Vorbehandlung, Verarbeitung), das Wo (unter Wasser, über Wasser, Innenräume, Ausrüstungsteile), das Womit (Anstrichsysteme, Farbtöne). Darüber hinaus wurden die Kenntlichmachung von Ausrüstungen bzw. Geräten mittels bestimmter Farbtöne und natürlich der einschlägige Arbeitsschutz festgelegt.
Obwohl (vorrangig) das Oberdeckspersonal einen Teil seiner Dienstzeit mit dem „Rost klopfen“ verbracht hat, wird hier auf diese praktischen Dinge nicht eingegangen, nur sozusagen auf die „Decklage des Anstrichs“ und damit mehr auf die Interessen von Modellbauern, Fotosammlern und -bearbeitern. Festlegungen zu Innenräumen, nicht sichtbaren Ausrüstungen und „Kleinteilen“ wurden nicht berücksichtigt.


In nachstehenden Vorschriften wurden die Anstrichsysteme und Farbtöne für die Schiffe und Boote der SSK / VM festgelegt. Für die Zeit vor 1959 waren derzeit keine entsprechenden Dokumente auffindbar, aber es muß irgendetwas hierzu vorgelegen haben, denn aus der Erfahrung heraus gab und gibt es in einer deutschen Armee kein ungeregeltes Detail. Lt. Zeitzeugen und Fotos sowie „Vorwort“ der DV-650/2 wurde wohl lediglich das etwa seit Gründung der NVA (1956) Vorhandene und Erprobte in der DV offiziell festgeschrieben.

Nicht zur Verfügung standen:  - Arbeitsrichtlinien zur DV-650/2 (von 1960?) und
    - AO des Chefs der SSK Nr.52/60 vom 22.09.1960, Bedeutung daher nicht einschätzbar.

Aber erst 1968 mit der DV-156/7a (später geändert in A 200/1/011, Ausgabejahr 1968) gab es wesentliche Veränderungen, für jeden sichtbar durch die Einführung neuer Farbtöne. Jedoch änderte sich mit dieser Vorschrift noch nicht der Bezug auf das RAL-System. Das wird zwar in den Vorschriften nicht besonders erwähnt, aber die vielfältigen Querverweise auf DIN-Vorschriften und die 4-stelligen Ziffern für die Farbtöne (auf der „Typfarbenkarte der Volkseigenen Farben- und Lackindustrie, Ausgabe 5/62“ entsprechen diese den RAL-Nr. und Farbtönen) bestätigen dies. Eventuelle geringe Abweichungen dürften für den Modellbauer dann uninteressant sein.

Erst mit dem DDR-Standard „Farbregister TGL 21 196“ Ausgabe Januar 1969 wurde ein dem RAL-Register entsprechendes eigenes System eingeführt, zwar weiterhin mit 4-stelligen Ziffern, jedoch mit anderen Farbtonzuordnungen und z.T. mit neuen Farbtönen.

Vorschrift
in Kraft
Unterwasserschiff Überwasserschiff
(außer Decks)
Decks
© Horma
 DV-650/2
 01.08.1959
 Schiffsbodenfarbe,
 rot RDV III (Antifouling)
 Lackfarbe hellgrau 7001      
 Hilfsschiffe:  grau 7031       
 Vinoflex-PC-Lack 102 W,
 rotbraun      (= ~ RAL 8012)  
 DV-156/7a
 01.04.1968
 KC-Bottom-Antifouling III,
 grün 56560, außer
 Wechselgang: grün 52560
 SfDA-Alkydharz-Decklack
 grau 7031                              
 (nach Typfarbenkarte 5/62)
 Vinoflex-PC-Lack RDV 302
 grün 6007                               
  dito
 Ergänzung Nr.1
 zur DV-156/7a
 15.07.1973
 Telsys-Bottom-Antifouling III
 BO III Z, grün,
 Wechselgang: WG III Z grün
 SfDA-Alkydharz-Decklack
 hellgrau 1808 nach TGL
 21196        (= ~ RAL 7001)  
 Vinoflex-PC-Lack RDV 302
 dunkelgrün 2233 nach TGL 21196
   (= ~ RAL 6020)
 A 297/1/001
 03.10.1978
 Telsys-Bottom-Antifouling III,
 SuWC, grün,
 Wechselgang: SwWV grün
 wie oben
 hellgrau 1808    
                   (= ~ RAL 7001)
 wie oben, aber
 vistagrün 2217 nach TGL 21196
   (= RAL ????)                      
Ausnahmen: auch alle Barkassen und Motorarbeitsboote, aber (große) Kurierboote beim Kommando der SSK „weiß“ 9001.
  Aufbauten der SHD-Boote „weiß“ 9001
  für TS-Boote (zu der Zeit nur Projekt 183 aktuell) Vinoflex-Lack „grau“ V 26067c (RAL-Farbton = ????)
  Decksaufbauten der SHD-Boote „weiß“ 9001; Maste auf KSS oberhalb Schornsteinabdeckung „schwarz“ 9005; Maste auf SHD-Booten „gelb“1004?
  mit Aufstreuen von Siliciumcarbid „Korn 80“ (als Anti-Rutsch-Effekt) und 10 cm hoher Streifen an Aufbauten u.ä. ohne Siliciumcarbid. Holz- und Alu-Decks „grau“ 7031.
  SHD-Boote: Decksaufbauten „weiß“ 0200 ~9001; Maste, Ladegeschirr und Kräne „gelb“ 0209 ~1003.
  ür diesen Farbton gibt es kein RAL-Äquivalent, er liegt irgendwo zwischen 6011 dunkler und 6021 mehr in Richtung blau.

 

Ergänzungen zu Farben (in obiger Tabelle war dafür kein Platz mehr; Fett wie oben = RAL):
 - Ankereinrichtungen, Wasserbomben stets „schwarz“, zu weiteren schwarzen Absetzarbeiten, z.B. Schiffstüren, siehe Fotos!
 - Räumgeräte:   1959 Geräuschboje „T“ und TSG-Drachen „grau“ 7031, übrige „rot III“ ~8012
    1968 alle Geräte „rotbraun“ 8012
  ab 1973 alle Geräte „rotbraun“ 0654 ~8015
 - Lüfterkappen:   1968 „blau“ 5009,
    1973 „blau“ 1686 ~5015
    1978 dito 1973, zusätzlich „auf Befehl zu schließende“: Signalrot 0605 3001
 - Feuerlöscharmaturen an Deck:   1968 „rot“ 3000
    1973 „rot“ 0605 ~3001
    1978 „signalrot“ 0605 ~3001
  - Rettungsringe:   von 1956-59 lt. Fotos „rot-weiß“ (4x90°)
    DV 1959 „rot“ 3000 mit weißer Taktischer Nr.; lt. Fotos wurde das zumindest in der
                                 4.Flottille weitgehend ignoriert und alles beim Alten (weiß-rot) gelassen.
    DV 1968 „rot-weiß“ (4x90°)!
    In den Folge-DV nicht mehr enthalten, dafür unter „Unfallschutz“ und dort
    1974 Leuchtfarbe/Reflexionsanstrich im Farbton „orange“

 

Hinweise / Bemerkungen:
 - Auch wenn es auf Fotos mitunter so aussieht, einen Überwasseranstrich mit zwei verschiedenen Grau-Tönen für die vertikalen Flächen gab es bei SSK / VM nicht.
 -  Alle in der Spalte „Unterwasserschiff“ aufgeführten Farbtöne waren keinem System zugeordnet. Sofern überhaupt eine Schlüsselzahl angegeben wurde, handelte es sich wohl um eine des Herstellers. Die Gründe lagen in der Farbenherstellung, die eine gleiche Tönung bei allen Chargen offenbar nicht hergab.
 -  Ab 1968 wurden die wissenschaftlichen Erkenntnisse betreffs UV-Licht in einer 2-Teilung des Unterwasseranstrichs umgesetzt, indem der Wechselgang eine gegen UV-Strahlung beständigere Farbe erhielt.
Die Breite des Wechselganges wurde mit 50 cm unter der Schwimmwasserlinie festgelegt und ab 1978 noch 20 cm über der Schwimmwasserlinie.
Der Wechselgang erscheint auf Fotos deutlich dunkler, in einem leicht blaustichigen Grün, das übrige Unterwasserschiff dagegen viel heller, in einem Blass-Grün. (vgl. Foto in Mehl/Schäfer „Die andere deutsche Marine“ Seite 119 oder Mehl/Schäfer/Israel „Vom Küstenchutzboot zum Raketenschiff“ Seite 97).
 -  Die Gründe für die Einführung des dunklen Grau zwischen 1968 und 1973 für alle Einheiten und die Rückkehr 1973 wieder zum hellen Grau sind nicht bekannt. Eine neue Vorschrift ist relativ schnell erstellt, aber die Umsetzung unter den Bedingungen der „Planwirtschaft“ (Bereitstellung großer Mengen neuer Farbe und Werftkapazitäten) hat dann entsprechend gedauert. So wurden sicherlich die Schiffe und Boote zuerst umgestellt, die für Paraden, Flottenbesuche usw. vorgesehen waren. Es ist derzeit nicht mehr bekannt, wann zwischen dem Erlaß und dem Inkrafttreten dieser Vorschriften (4-6 Monate) der „Startschuß“ fiel.
 - Während in der Ergänzung Nr.1 zur DV-156/7a keine Einschränkungen erkennbar sind, waren lt. A 297/1/001 farbliche Absetzarbeiten (zumeist in schwarz) bis auf die angeführten Ausnahmen untersagt. Aber bereits lange vorher, zur stehenden Parade im Rostocker Stadthafen im November 1968, sahen z.B. die „Kraken“ schon recht „eintönig“ aus, Schornsteinkappen und alle Schanzkleid-Handläufe nur noch „grau in grau“. Demnach hat es diverse Festlegungen auf anderer Basis und unabhängig von den genannten DV’s, z.T. auch im Widerspruch zu diesen, gegeben. Mehrfach konnte auch festgestellt werden, „unten“ nahm man es offenbar nicht so genau und „oben“ hatte wohl anderes den Vorrang.
 -  Außer den v.g. Vorschriften gab es noch weitere Festlegungen, die direkt oder indirekt zur Thematik gehören und zu einer bestimmten Zeit aus diesen DV’s herausgelöst oder auch in diese übernommen wurden:
  1. In der erwähnten DV zum Unfallschutz wurde erstmals festgelegt, daß der Wasserlinienpaß 10 cm über der Schwimmwasserlinie bei Volldeplacement liegen soll. Bis dahin war im Normalfall die Unterkante des Passes in etwa die Schwimmwasserlinie und da dürfte der Hintergrund für die Entscheidung auch in der damaligen „Beschaffenheit“ der Hafengewässer gelegen haben. Diese Festlegung wurde dann auch in die A297/1/001 übernommen.
  2. Weitere Festlegungen zum Wasserlinienpaß sind bisher nicht bekannt, lediglich aus Fotos ist das Vorhandensein bereits zur Zeit der Seepolizei sicher und daß die Breite in einer gewissen Relation zur Fahrzeugsgröße stand; bei MLR „Krake“ wird die Breite auf 10 (-12) cm geschätzt. Aus Fotos von Indienststellungen ist auch die Führung des Passes genau parallel zur Schwimmlinie ersichtlich, das spätere „Hochziehen“ in Richtung Vorsteven in einigen Fällen erfolgte demnach „freischaffend“. 
  3. Bord-Nr.: An Vorschriften ist hierzu nur die „Bordnummernordnung“ vom 02.08.1968, in Kraft ab 01.12.1968, bekannt. Um den zulaufenden Neubauten und Importen Rechnung zu tragen, erfolgten jeweils Ergänzungen. Charakteristisch waren die eckigen und massigen Zeichen und Ziffern, die vom „Klassenfeind“ deshalb z.T. falsch gedeutet wurden (das „S“ der Schulschiffe z.B. als „5“).
Die von vorgenannter Vorschrift abgelöste „Anordnung Nr.19/67 des Chef des Stabes der VM“ stand bisher nicht zur Verfügung, dürfte aber angesichts des geringen Zeitvorlaufs kaum neue Erkenntnisse bringen.
    Fakt ist: Spätestens ab Bildung der Flottillen im November 1956 gab es irgendwelche Festlegungen zu Art und Größe der Bord-Nr. und nachweislich den schwarzen Schlagschatten. [siehe Bild]
    Warum später, so ab Anfang der 60er Jahre „Individualismus“ einzog, ist offen. Vielleicht, weil Bord-Nr.-Änderungen z.T. auf See durchgeführt werden mußten, vom „wackligen“ Schlauchboot oder Kutter? Oder wurden einfach nur die „Lücken“ in den Vorschriften ausgenutzt, denn in den DV’s der obigen Tabelle wurden zwar betreffs Bord-Nr. (dort allerdings „Taktische Nr.“) jeweils die Schriftfarbe „weiß“ genannt, aber nur einmal, erst 1973, mit dem  Zusatz „Schattenschrift“! [siehe Bild] Schriftgröße und Ort der Anbringung wurden dagegen nicht aufgeführt, „passen“ auch dort nicht in die Thematik.
    Andererseits wurde aber von 1959 bis 1973 akribisch die schwarze Beschriftung (Größe in cm und Position) der Räumgeräte abgehandelt. Dazu sollte die Boots-Nr. verwendet werden, was zur parallel genannten Taktischen Nr. eigentlich nur noch Bau-, Serien- oder Projekt-Nr. bedeuten konnte. Doch das wurde von „der Basis“ durchweg ignoriert, auf allen Einheiten (Habicht, Krake, RPi, MSR) wurden einfach die Bord-Nr. aufgepönt (trotz der Mehrarbeit durch Nr.-Wechsel)!! [siehe Bild]
    Zumindest bezüglich Bord-Nr. kehrte aber ab 1968 wieder Ordnung ein!
Quellen u.a.:
 
  Infos zu RAL-Farbtafeln sind bei Wikipedia zu finden!
  
Sonderanstriche:
Es ist nur ein Randgebiet des Themas, da aber dazu kaum publiziert wurde, soll es kurz angesprochen werden.
 -  Heller/weißer Anstrich des Schornsteinmantels bei den MLR „Habicht“ 2001 und 2002: Bei den „gauen Flotten“ der Welt nach 1945 ist das ein Kuriosum [siehe Bild]. Die konkreten Hintergründe für diese Maßnahme sind nicht bekannt. Auf Wunsch bzw. Anordnung des Befehlshabers, das klingt doch etwas nach „Seemannsgarn“. Ab etwa 1955 dann normal schiffsgrau.
 -  Tarnfarben: Auf dem bekannten Foto [siehe Bild] von einem Landungsmanöver September 1954 auf dem Gellen (Hiddensee), bekam der „Delphin“ einen 2-farbigen Tarnanstrich, auf einem anderen Foto [siehe Bild] von 1954 oder 1955 sieht man das Schulboot „KS-L“ mit einem sehr ähnlichen Tarnmuster. Nach Zeitzeugen soll dies auch bei „Habichten“ im Zeitraum 1955/56 so erfolgt sein, hierzu gibt es allerdings keinen Fotobeweis. Wie bei diesem RPi [siehe Bild] wurden sicherlich auch zuvor lediglich mit weißer Farbe bestimmte graue Flächen überpönt, es betraf jedoch immer nur vertikale. Vorgaben oder Schemata  sind bisher nicht bekannt.
Ab 1957 gab es selbst bei Manövern keine derartigen Maßnahmen mehr, wohl auch wegen der rasanten Entwicklung der Funkmeßtechnik.
22.04.2015: Anmerkung von B.Loose:
Es ist fraglich, ob die genannten „Tarnanstriche“ als solche im Wortsinne beabsichtigt waren. Näher liegt wohl die Vermutung, dass sie eigentlich als „Verzerrungsanstriche“ zur Erschwerung der Bestimmung der Größe und der Manöverelemente des Trägers zu sehen waren und eine Parallele zu „echten“ Tarnanstrichen darstellten. Schon in den Weltkriegen mit ihrer überwiegend optischen Aufklärung wurde von Verzerrungsanstrichen Gebrauch gemacht, insbesondere zur U-Boot-Desinformation.